Gute hybride Arbeit braucht gute Beziehungen Kanzleiprofiling Marion Ketteler

Gute (hybride) Arbeit braucht gute Beziehungen

Es wird gerade viel darüber diskutiert, wie wir die Arbeit der Zukunft gestalten. Fakt ist, dass hybride Arbeitsmodelle in den allermeisten Kanzleien bleiben. Damit ist gemeint, dass die Arbeit sowohl in der Kanzlei als auch im Homeoffice oder an einem anderen Ort getan wird. Das sorgt für ein Ausfransen der zuvor festen Bezugsstrukturen – und hat damit teils immense Auswirkungen auf die Beziehungen in der Belegschaft und auf die Loyalität zum Unternehmen. Braucht gute (hybride) Arbeit gute Beziehungen oder ist das in der schönen neuen Arbeitswelt kein Maßstab mehr ? Und wenn ja, was bedeutet das für alle Beteiligten?
Dieser Frage bin ich nachgegangen und hier sind meine Antworten darauf.

Wieso überhaupt Beziehungen?

Menschen sind Beziehungswesen. Das liest man überall. Aber was bedeutet das genau?
Schaut man sich Säuglinge nach der Geburt an, wird klar, wie sehr wir Beziehungen brauchen. Ohne Zuwendung, ohne Ansprache, Kontakt und Versorgung sind Säuglinge nicht lebensfähig. Die alleinige Versorgung mit Nahrung reicht nicht aus, uns Menschen überleben zu lassen. Es braucht mehr als Essen und Luft, damit wir gedeihen.

Diese Prägung ist fest in uns verankert. Deswegen beginnen schon Säuglinge, in Kontakt mit der Umwelt zu treten und auf sie zu reagieren. Wir gehen in Beziehung.

Werden wir älter, finden wir uns in Beziehungssystemen ein: Familie, Freunde und andere Gruppen sind wesentliche Bezugsgruppen. Manchen folgen wir aus freien Stücken (Freunde, Sportguppen), andere können wir uns nicht aussuchen (Familie, Schulklasse). Selbst bei den zuletzt genannten versuchen wir, uns an die Normen und Werte zu halten, um Ausschluss zu verhindern. Denn Ausschluss bedeutet Beziehungsabbruch.

Während der Ausbildungs- und Erwerbsphase finden wir uns in verändernden Systemen und Beziehungsstrukturen wieder. Bei jedem Arbeitgeberwechsel wechseln wir das Beziehungssystem und sind bereit, neue Beziehungen mit den Kollegen und Vorgesetzten aufzubauen.

Jeder Mensch lernt im Laufe seines Lebens, sich in unterschiedlichen Bezugssystemen zurecht zu finden und Beziehungn zu gestalten. Mal besser, mal schlechter.

Beziehungen geben uns Schutz und Struktur. Wir finden unseren Platz in der Gruppe. Mit unserem Verhalten unterstützen wir die Normen und Werte, die in diesem System bedeutsam sind. Im Gegenzug erhalten wir den Schutz und die Unterstützung aller anderen. Das funktioniert ebenso in der Familie wie in der Kanzlei.

Beziehungen brauchen Raum, Zeit und Stabilität

Egal, ob man als Säugling in eine Familie geboren wird oder als neuer Mitarbeiter seinen ersten Arbeitstag hat: am Anfang ist das System neu und unbekannt und alle müssen sich aneinander gewöhnen.
Das gelingt am besten, indem man Zeit miteinander verbringt und sich kennenlernt. Das passiert in der Familie ganz automatisch und hat in prähybriden Arbeitskontexten auch ganz hervorragend funktioniert. Man saß mit neuen Kollegen in einem Raum, verbrachte die Mittagspause mit anderen Kollegen und lernte sich kennen.

Wie soll man aber eine Beziehung zu einem Kollegen aufbauen, den man noch nie persönlich gesehen hat? Weil er 500 km weit weg wohnt und nur einmal in der Woche zum virtuellen jour fixe dazukommt? Gar nicht so leicht.

Vor der Möglichkeit, nahezu an jedem internetfähigen Ort der Welt zu welcher Zeit auch immer arbeiten zu können, gab es ein einziges Arbeitsmodell in Kanzleien: Präsenzarbeit. Meist sogar mit genauen Zeitvorgaben und flexibel musste da niemand sein. Doch dieses Arbeitsmodell hat durchaus Vorteile, die so mancher heute vermisst:

Wie schafft man analoge Beziehungsräume in modernen Arbeitsverhältnissen?

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Klar ist, das alte Präsenzmodell hat ausgedient. Zu gewohnt und alltagstauglich sind flexible und hybride Systeme, in denen jeder sein Modell mit seiner persönlichen Lebenssituation verbinden kann. Dieses Rad lässt sich nicht mehr mit Zufriedenheit der Mitarbeitenden zurückdrehen. Flexible Modelle werden durch gesellschaftspolitische Gegebenheiten eher zunehmen, weil Arbeit und Leben sonst nicht mehr miteinander vereinbar sind.

Aber was tun, damit sich Menschen wieder begegnen, Kontakte aufbauen und pflegen können?

Beziehungsräume wörtlich verstehen und einrichten

Große Unternehmen machen es vor. Da gibt es Co-Working Räume, Räume für spontane Besprechungen oder kleine Rückzugsorte für ein Gespräch zu zweit.

Schöne Sozialräume, die nicht nur zur Mittagszeit aufgesucht werden und ansprechend gestaltete Außenräume, die zum Verweilen einladen:
Hier steht ein Billardtisch, dort der Tischkicker und an der Wand hängt die Dartscheibe. Ein Kühlschrank mit Kaltgetränken und Vollautomaten für Heißgetränke aller Wahl finden sich an mehreren Stellen in der Kanzlei.
Gemütliche Sitzgelegenheiten mit Steckdosen und Lademöglichkeiten runden das Bild ab.

Die Kanzlei muss heute mehr Wohlfühlraum als Arbeitsraum sein. Damit Menschen Lust haben, in die Kanzlei zu kommen und dort zu arbeiten. Hier konkurriert die Kanzlei mit dem eigenen Zuhause und Co-Workingmöglichkeiten in der Welt.

Konkrete Angebote zur Nutzung dieser Räume machen

Was nutzt die schönste Dachterrasse mit dem wunderbarsten Sonnenuntergang, wenn niemand auf ihr sitzt und ihn sieht?
Will sagen: so ganz von allein werden die Räume von der Belegschaft wohl nicht in dem Maße angenommen, wie es erforderlich zum Beziehungsaufbau wäre.

Deswegen braucht es mehr Initiative von Seiten der Kanzleiinhaber: Zeiten, die bewusst für den Austausch und nicht für die Bearbeitung reserviert sind. Projekte, die mit Beschäftigten unterschiedlicher Aufgabenbereiche bestückt sind und die nicht in eigenen Räumen zusammensitzen.

Es braucht immer wieder Anreize, sich innerhalb und außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit in der Kanzlei zu treffen und gemeinsame Zeit zu verbringen.

Kontinuierliche und einmalige Angebote machen

Wöchentliche Yogakurse, Hochbeete auf der Dachterrasse, die gemeinsam gepflegt werden oder die Rollenspielgruppe, die die Großzügigkeit der Räumlichkeiten mit freier Getränkeauswahl schätzt. Alles das sind Beispiele für kontinuierliche Angebote, die die Menschen immer wieder in die Kanzlei kommen lassen.

Auch einmalige Angebote wie Kochabende, gemeinsame Frühstücke oder das gemeinsam eingeläutete Wochenende mit einem Bier oder Cocktail in der Hand auf der Dachterrasse lassen den Kanzleialltag schnell in den Hintergund und das persönliche Gespräch in den Vordergrund rücken.

Die Belegschaft wird schon wissen, wofür sie bereit ist, zu kommen oder auch mal in der Kanzlei zu bleiben, wenn die Arbeitszeit eigentlich schon vorbei ist. Hier in den Austausch zu gehen und einfach einmal ein neues Format auszuprobieren, kann helfen, die Mitarbeitenden zusammenzubringen.

Highlights runden das Angebot ab

Eine gemeinsame Skifreizeit alle zwei oder drei Jahre. Eine Finca auf Mallorca, auf die jeder Mitarbeitende 3 Wochen im Jahr fahren kann, um dort zu arbeiten und/oder Urlaub zu machen. Mit Kollegen versteht sich.

Ein Städtetripp, eine Kreuzfahrt oder was immer Ihnen einfällt: einmalige gemeinsame Erlebnisse fördern das Betriebsklima und wirken lange nach.

Auch gemeinsam erlebte gemeisterte Herausforderungen zahlen auf dieses Konto ein: wer in der Gemeinschaft ein Floß gebaut und damit den Fluss überquert hat, hat andere Seiten an den Kollegen und Kolleginnen kennengelernt als bei einer internen Bilanzbesprechung. Und genau davon wird noch nach Jahren berichtet! Das schweißt das Team zusammen.

Wie schafft man virtuelle Beziehungsräume?

Auch hier ist Kreativität gefragt: Warum sich nicht für einen gemeinsamen Kochabend verabreden, wo jede/r in seiner Küche dasselbe Gericht kocht? Mit dem Tablet und einem Glas Wein in der Hand gelingt der Austausch auch und man erfährt das eine oder andere private Detail des Kollegen.

Oder Spielabende, wo man virtuell zuammen oder auch gegeneinander spielt.
Corona hat uns viele Optionen gezeigt und auch die Hemmungen vor der Technik genommen.

Hybride Beziehungspflege muss geplant werden

Anders als im Büro, wo jeder jeden treffen kann, ist es im virtuellen System sinnvoll, Beziehungsräume zu planen. Mit genauem Datum und Uhrzeit.
Denn nur so ist gewährleistet, dass Beziehungbegegnung überhaupt stattfindet.

Hybride Beziehungspflege muss Bestandteil der Unternehmenskultur sein

Gerade in Kanzleien, die Mitarbeitende über ganz Deutschland oder darüber hinaus beschäftigen oder gar keine eigenen Kanzleiräume mehr vorhalten, ist das essentiell wichtig.
Denn Zugehörigkeit entsteht nur, indem man die anderen kennt, einschätzen kann und mag. Da reicht der offene Teamskanal leider nicht aus. Es braucht für den Menschen einfach mehr als fachlichen Austausch, um dem anderen vertrauen zu können. Und Vertrauen ist die Grundlage guter Beziehungen.

Deshalb sollten virtuelle und analoge Beziehungsräume regelmäßig geschaffen und auch konsequent beibehalten werden.

Ob mit Quartalstreffen in der Heimatstadt eines Kollegen oder mit einem virtuellen Frühstück, dass jedem Mitarbeitenden zugeschickt wird, spielt letztlich keine Rolle. Wichtig ist, nur, dass diese Dinge stattfinden und alle den Mehrwert erkennen. Und auch Lust dazu haben.

Beziehung braucht „Beziehungskultur“

Die grundlegensten Werte und Normen in der Kanzlei werden von der Geschäftsführung vorgegeben. Das „wie man sich hier verhält“ und das „wie man sich hier nicht verhält“.

Wenn die innere Überzeugung lautet: „Arbeit ist kein Vergnügen“, dem wird es schwer fallen, die Mitarbeitenden bei einer Tasse Kaffee oder Tee plaudernd in der Loungeecke sitzen zu sehen. Oder so jemand wundert sich im Teamsmeeting, wieso alle zunächst darüber sprechen, wie es ihnen geht, statt mit der fachlichen Besprechung zu starten.

Heißt: wer der Beziehungspflege innerhalb des Arbeitstages eher kritisch gegenüber steht, solange sie sich nicht auf den fachlichen Austausch bezieht, wird das auch nicht vorleben und die Beschäftigten spüren das. Da können dann noch so schöne Räume und Zuspruch erfolgen: hier setzt sich keiner entspannt hin und schon gar nicht nach Feierabend zusammen!

Arbeit und Leben wachsen immer mehr zusammen. Aus der Work-Life-Balance wird zunehmen ein Work-Life-Blending und wer das akzeptiert, hat kein Problem, wenn sich mittags alle zu einer ausgedehnten Runde am Tischkicker verabreden.

Die Mitarbeitenden mitnehmen

Wichtig bei allen Überlegungen: die Mitarbeitenden sollten von Anfang an in die Überlegungen und Pläne mit einbezogen werden. Auch und gerade ihnen muss bewusst sein oder werden, dass es nicht nur darum geht, sein Pensum zu schaffen und das egal an welchem Ort.
Das es mindestens genauso wichtig ist, dass sich alle miteinander wohlfühlen und sich gegenseitig unterstützen.
Und das alle für den Kanzleierfolg sorgen und eben nicht nur die Kanzleiinhaber:Innen.

Wieso gute (hybride) Arbeit gute Beziehungen braucht

Klar kann man die Buchführung oder den Jahresabschluss auch wunderbar im Homeoffice erstellen. Das einzige, was da nervt, ist vielleicht der Hund, der bellt oder die Katze, die mal wieder die Tastatur als Schlafplatz gewählt hat.

Wer dauerhaft zuhause arbeitet und keine realen Kontakte mehr zu den Kollegen hat, verliert mehr und mehr den Input von anderen. Das Gerede, was vielleicht früher zuviel oder nervig war, fehlt und mit ihm der Blick anderer auf das eigene Tun und Denken.

Innovation aus dem Alltag heraus ist so für die Kanzlei unmöglich. Auch wenn es regelmäßige Meetings gibt. Die meisten guten Ideen entstehen nämlich gerade nicht in den dafür geplanten Räumen, sondern zwischendurch beim Kaffeetrinken in der Teeküche oder bei der Diskussion über ein ganz anderes Thema. Oder eben beim Cocktail trinken auf der Dachterrasse.

Wenn Begegnungen erschwert sind und man nur noch Kontakt zu einer immer gleichen Handvoll Kollegen hat, bekommt man auch nur noch aus dieser Gruppe Eindrücke, Meinungen und Ansichten.
Gute Arbeit entsteht aber genau dadurch, dass es möglichst viele Sichtweisen gibt, die es zu verhandeln gibt. Innovation entsteht dann, wenn man Probleme auf andere Weise als die Kollegen löst und das mitteilt. Oder indem man gleich gemeinsame Lösungen entwickelt.

Gute Arbeit bedeutet gute Entwicklung jedes Mitarbeitenden

Es geht bei guter Arbeit auch um die Entwicklung jedes einzelnen Beschäftigten: Gute Arbeit ist immer im Kontext der Zeit zu bewerten. Arbeitsweisen verändern sich gerade massiv und wer morgen noch gute Arbeit anbieten will, braucht das Lernen mit- und voneinander. Braucht den engen fachlichen und persönlichen Austausch. Braucht zunehmend mehr technisches Verständnis und die Möglichkeit, sich auszuprobieren. Das geht nur mit Vertrauen und guten Beziehungen zu den Kolleg:Innen und zu den Vorgesetzten. Damit man eigene Unzulänglichkeiten eingestehen kann, Hilfe anbietet und annimmt und eine gute Fehlerkultur von allen gelebt wird.

Gute Arbeit bedeutet Zugehörigkeit

Wer seine Mitarbeitenden langjährig beschäftigen möchte, muss dafür sorgen, dass sie sich zugehörig fühlen. Und eben das geht einzig und allein über gute Beziehungen und Vertrauen untereinander.
Die Arbeit kann noch so spannend und die Mandanten können noch so nett sein: Wenn man sich mit den Kollegen und Kolleginnen nicht versteht, fühlt man sich unwohl und wird über kurz oder lang die Kanzlei verlassen.

Fazit

Wer gute Arbeit und Innovationsfähigkeiten in seiner Kanzlei weiterhin für wichtig hält, investiert in gute Beziehungen – ob digital, analog oder hybrid.

3 Kernbotschaften, die Sie aus diesem Artikel mitnehmen können

3 Kernbotschaften wieso gute hybride Arbeit gute Beziehungen braucht Kanzleiprofiling Marion Ketteler
  • 1. Für gute Beziehungen braucht es Beziehungsräume und Beziehungsanlässe. Egal, ob analog oder virtuell.
  • 2. Virtuelle Beziehungen müssen geplant und eingehalten werden.
  • 3. Gute Arbeit fußt auf guten Beziehungen und bedeutet Kanzleierfolg und Entwicklung jedes Einzelnen.

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