Ursachen des Fachkräftemangels in der Steuerberatung

Auch im Jahr 2024 wird sich der Arbeitsmarkt nicht entspannen: immer mehr Kanzleien suchen qualifiziertes Personal. Entweder um vorhandene Lücken zu schließen, zu expandieren oder um sich weiter zu spezialisieren. Doch was sind die Ursachen des Fachkräftemangels, der gerade die Steuerberatung so hart trifft?
Was kann jede Kanzlei tun, um den eigenen Fachkräftemangel abzumildern?
Eine Spurensuche.

Fangen wir mit ein wenig Statistik an:

Laut des ifo Instituts liegt die Branche der Rechts- und Steuerberatung sowie Wirtschaftsprüfung auf dem zweiten Platz im Ranking um den höchsten Fachkräftemangel in dienstleistenden Branchen. Satte 72 % belegt die Umfrage aus Juli 2022.

ifo Institut Fachkräftemangel bei den Dienstleistern 2022 Ursachen des Fachkräftemangels in der Steuerberatung

Unzureichende Geschlechterneutralität und Demografie:

Manche Ursachen des Fachkräftemangels sind hausgemacht und über Jahrzehnte gelebte Praxis:

Die Branche ist viel zu männerlastig

Obwohl die Anzahl der zugelassenen Steuerberater:Innen seit Jahren leicht steigt und der Frauenanteil ebenfalls zunimmt, dominieren die Männer mit 62,8% die Branche (Quelle: Bundessteuerberaterkammer) als Kanzleiinhaber. Das Gros der Beschäftigten ist nach wie vor weiblich.

Ein zu männerdominiertes Arbeitsumfeld schreckt weibliche Interessenten grundsätzlich ab. Denn dann wird automatisch eine hohe Arbeitsbelastung unterstellt, die dem Wunsch der Frauen nach einer familiengerechten Arbeitszeit und Arbeitsbelastung entgegenstehen. Auch sehen Frauen in stark männerdominierenden Berufen wenig und schwierige Aufstiegschancen, was das Berufsbild zusätzlich unattraktiver macht.

So ist es denn auch wenig verwunderlich, dass in Steuerkanzleien mit mehreren Partnern Frauen absolut unterrepräsentiert sind.

Wie Sie mehr Frauen in Führungspositionen bekommen können, lesen Sie in diesem Artikel:

https://kanzleiprofiling.de/allgemein/3-strategien-gegen-den-fachkraeftemangel-2024-in-der-steuerberatung/

Die Branche vergreist

Über die Hälfte (55,9 %) aller im Jahr 2021 zugelassenen Steuerberater:Innen ist über 50 Jahre alt. Und 17,7% sind über 60 Jahre alt (Quelle: Bundessteuerberaterkammer). Insgesamt sind also fast Zweidrittel (73,6 %) aller Steuerberater in einem Alter, indem man eher ans Aufhören, denn an die Umgestaltung der Kanzlei denkt.
Die Branche vergreist und ist für den nötigen und schnellen Umbau, der jetzt erforderlich ist und der junge Menschen anlockt, nicht erreichbar.

Ältere Kanzleiinhaber beschäftigen überproportional viele ältere Beschäftigte

Und das ist die nächste Ursache für den großen Fachkräftemangel:
Babyboomer, das sind Menschen, die zwischen den Jahren 1946 bis 1964 geboren sind, verlassen in den kommenden Jahren ebenfalls die Kanzleien. Und nur die wenigsten wird man überzeugen können, länger im Beruf zu bleiben – leiden sie doch wie die alten Kanzleiinhaber unter den Veränderungen der Branche, weil sie nicht rechtzeitig mitgenommen wurden und nun keine Kompetenzen im Changemanagement aufweisen.

Die Zahl der Auszubildenden sinkt

In den Jahren von 2020 auf 2021 sank die Zahl der Auszubildenden um 2,3%. Von 2021 auf 2022 um 1,9% und real um 342 Auszubildende (Quelle: bstbk.de).
Schaut man sich die Jahre von 2008 bis 2020 an, die nicht mit Corona gerechtfertigt werden können, stieg die Anzahl der Auszubildenen um ganze 1.251 im gesamten Zeitraum. Also um weniger als 100 Personen mehr in Ausbildung pro Jahr in der gesamten Bundesrepublik. Und das, obwohl man weiß, dass auch die letzten Babyboomer bald in Rente gehen.
Ein Armutszeugnis für die Branche, das sie sich selbst ausstellt.

Interessant ist, dass nur der Kammerbezirk Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2021 eine Ausbildungsquote von 30,3% nach Mitgliedern erreicht. Alle anderen Kammerbezirke liegen, teilweise deutlich, darunter. Selbst in städtisch geprägten Bezirken ist keine, im Vergleich zu ländlich geprägten Regionen, erkennbare höhere Quote vorhanden. So kommt Stuttgart auf 11,3%, Berlin auf 12,2%, Düsseldorf auf
12,5 % und Hamburg als Schlusslicht auf gerade einmal 10,9%. (Quelle: bstbk.de).

Und das, wo doch immer wieder behauptet wird, dass Kanzleien im städtischen Umfeld viel leichter Auszubildende finden.
Es scheint also eher ein „Nichtwollen-“ denn ein „Nichtkönnen-“ Problem zu sein.
Der Kammerbezirk Mecklenburg-Vorpommern hat aktiv etwas für diese vergleichsweise hohe Quote getan. Das war kein Glück oder „glückliche Umstände“. Das waren Taten. Und sie hatten Erfolg, wie man unschwer den Zahlen entnehmen kann.

Wer genau wissen möchte, wie der Kammerbezirk das geschafft hat, melde sich gerne bei mir. Ich habe ein langes Telefonat mit Herrn Rechtsanwalt Jörg Hähnlein, seines Zeichens Geschäftsführer der Steuerberaterkammer Mecklenburg-Vorpommern, geführt. Sehr aufschlussreich, kann ich nur sagen.

Steuerberatung wird immer akademischer

Immer mehr junge Menschen entscheiden sich für ein Studium anstelle der Berufsausbildung. Diese Art der Berufsausbildung steht allein Menschen mit einem hohen Schulabschluss zur Verfügung und engt das Bewerberfeld zusätzlich ein.

Das akademisiert zwar die Branche, führt andererseits aber dazu, dass immer weniger Fachkräfte das „Brot- und Buttergeschäft“ in einer verlässlich guten Qualität zu einem vertretbaren Herstellungspreis leisten. Und gerade sie fehlen massiv in den Steuerkanzleien.

Statistisch gibt es zu wenig junge Menschen, die überhaupt ausgebildet werden können

Der Vollständigkeit halber: in jeder Statistik zum demografischen Wandel ist ersichtlich, dass Deutschland zu wenig Nachwuchs hat, der überhaupt ausgebildet werden kann.

Und die aktuelle Zuzugs- und Flüchtlingspolitik sorgt nicht dafür, dass sich das bald ändert. Die Branche muss sich also selbst helfen.

Voreingenommenheit gegenüber Menschen mit anderen Vorbildungen und/oder aus anderen Ländern

Wer in der Steuerberatung als Fachkraft angesehen werden will, hat den Beruf von der Pike auf gelernt und Deutsch als Muttersprache.

Zitat einer Mitarbeiterin einer Steuerkanzlei

Diese Voreingenommenheit verschärft den Fachkräftemangel, weil viel zu wenig Quereinsteiger beschäftigt werden. Zudem gibt keine flächendeckenden Weiterbildungs- oder Umschulungsprogramme für Menschen aus anderen Ländern. Und das bei hervorragenden Berufsaussichten!

Das alleine wird aber nicht helfen, solange das Mindset der allermeisten Beschäftigten wie das im Zitat ist: es braucht eine größere Offenheit gegenüber anders denkender, anders aussehender und anders vorgebildeter Menschen.

Faktoren, die den Fachkräftemangel indirekt befeuern

8 indirekte Faktoren des Fachkräftemangels in der Steuerberatung Marion Ketteler Kanzleiprofiling 
Ursachen des Fachkräftemangels in der Steuerberatung

Verschobene Wahrnehmung der eigenen Steuerkanzlei

Viele Kanzleiinhaber sehen sich und ihre Kanzlei nicht so, wie sie wirklich ist. Ob im Stand der Digitalisierung, in der Organisation der internen Prozesse oder auch im Bereich der Bewerberansprache und im Onboarding.

Je kleiner die Kanzlei ist, desto größer ist in der Regel diese Wahrnehmungsverzerrung.

Sie sehen sich selbst viel besser aufgestellt und gehen zu Unrecht davon aus, dass sie schnell neue Fachkräfte finden, die gerne für die Kanzlei arbeiten wollen.
Erst in der konkreten Anwerbungsphase bemerken viele ihre tatsächliche Situation und ihren Irrtum.
Dann ist es aber meist schon zu spät und der Aufwand ist enorm, weil zu viele Jahre nichts oder viel zu wenig verändert wurde.

Der Unwille, auf die aktuelle Marktsituation angemessen zu reagieren

Bei regelmäßiger und realistischer Marktbeobachtung dürfte jedem Steuerberater klar sein, dass sich die Bewerberansprache deutlich verändert hat.
Dennoch weigern sich viele Steuerkanzleien, z.B. in eine moderne und aktuelle Website mit explizitem Karrierebereich zu investieren, in den sozialen Medien aktiv zu werden oder auf andere Art und Weise für analoge und digitale Sichtbarkeit zu sorgen.
Wem „weigern“ zu aktiv ist: viele sitzen das Problem einfach mit der Dauerausrede „keine Zeit“ aus. Egal, welche Bezeichnung Sie bevorzugen: sie führen in dieselbe Sackgasse.

Recruiting als Sprint und nicht als Dauerlauf verstehen

Recruiting ist nichts, was man dann mal macht, wenn man eine neue Fachkraft sucht. Es muss bei andauerndem Fachkräftemangel zum Tagesgeschäft jeder Steuerkanzlei und zu den vordringlichsten Aufgabenbereichen gehören.

Mangelhafte (Onboarding) Prozesse

Wer Fachkräfte innerhalb der Probezeit verliert, hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Gute Fachkräfte zu finden, ist die eine Seite der Medaille. Sie zu halten und schnell und dauerhaft an die Kanzlei zu binden, die andere. Es reicht heutzutage nicht mehr aus, Bewerber mit einem Arbeitsvertrag und einem Laptop auszustatten. Moderne Prozesse, ein Qualitätsmanagement und ein gutes Onboarding sind heute unverzichtbar.

Unzureichende individuelle Beschäftigungsformen

Wer qualifizierte Fachkräfte nicht verlieren will, braucht heute individualisierbare Beschäftigungsformen. Ob auf die Arbeitszeit, den Arbeitsort oder die Arbeitsinhalte bezogen. Das wird viel zu wenig umgesetzt und ist oft noch viel zu starr.

Unattraktive Arbeitsbedingungen

Wer sich seinen Job aussuchen kann, sucht sich auch die Rahmenbedingungen des Jobs aus: Gehalt, Zusatzleistungen, Bequemlichkeit und alles das, was den Job persönlich angenehm macht. Jobs in der Steuerberatung sind schon aufgrund der gesetzlichen Termine, die eingehalten werden müssen, nicht so flexibel wie in anderen Branchen. Hier kommt es deswegen noch viel mehr als anderswo darauf an, die beeinflussbaren Rahmenbedingungen möglichst attraktiv zu gestalten, damit Fachkräfte bleiben und nicht noch mehr die Branche verlassen.

Fehlende interne Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten

Auch interne Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten führen zu besserer Kanzleibindung. Im besten Fall können sich alle Mitarbeitenden fachlich und persönlich weiterentwickeln.

Hier wird immer noch viel zu starr gedacht und Möglichkeiten nicht erkannt und ausgenutzt.

Mangelhafte Unternehmenskultur und Führung

Menschen bewerben sich auf Stellenausschreibungen und verlassen ihre Jobs wegen der Führungskräfte. Wer besser führt und für eine gute Unternehmenskultur sorgt, verhindert die Ursache der meisten Kündigungen.

Fazit

Es gibt Ursachen für den Fachkräftemangel in der Steuerberatung, die Steuerkanzleien nicht aus sich heraus ändern können. Wie zum Beispiel den demografischen Wandel. Aber es gibt eben auch jene Bereiche, auf die sie Einfluss haben. Sie sollten besser heute als morgen alle „hausgemachten“ Ursachen bekämpfen, damit sich der Fachkräftemangel nicht weiter verstärkt.

3 Kernbotschaften, die Sie aus diesem Artikel mitnehmen können

3 Kernbotschaften Ursachen des Fachkräftemangels in der Steuerberatung Marion Ketteler Kanzleiprofiling
  1. Es gibt beeinflussbare und nicht beeinflussbare Ursachen für den starken Fachkräftemangel in der Steuerberatung.
  2. Steuerkanzleien sollten alles dafür tun, die beeinflussbaren Ursachen schnell und umfassend zu bekämpfen.
  3. Dafür müssen sie mehr als bisher in die Eigenverantwortung gehen und aufhören, die Schuld woanders zu suchen und sich Unterstützung an den Stellen holen, wo sie selbst nicht weiterkommen.

Ihre Möglichkeiten, den Fachkräftemangel in Ihrer Kanzlei zu beseitigen

Wenn Sie die individuellen Ursachen des Fachkräftemangels in Ihrer Kanzlei schnell abstellen und keine Fehler dabei machen wollen, melden Sie sich bei mir.

Passend zu diesem Thema biete ich folgende Dienstleistungen an:

Ihr Strategie-Tag

Diesen Beratung können Sie nutzen, um Handlungsbereiche gegen den Fachkräftemangel in Ihrer Kanzlei auszuloten. Als Kick-off und erste intensive Beschäftigung mit diesem Thema. Buchen Sie sich bitte hier Ihren kostenlosen 20-minütigen Kennenlerntermin, an dem wir Ihre individuelle Herausforderung besprechen können.


Hier erhalten Sie weitere Informationen zum Strategie-Tag: https://kanzleiprofiling.de/strategieentwicklung/

Gezielte Recruiting Beratung

Hier werfen wir einen ganz genauen Blick auf Ihre bisherigen Recruiting Strategien. Ich zeige Ihnen, was Sie im Innen und Außen tun können, um passende und gut qualifizierte Fachkräfte von Ihrer Kanzlei zu überzeugen. Alternativ oder ergänzend dazu entwickeln Sie mit meiner Unterstützung Ihre eigene kanzleispezifische Recruiting Strategie. Buchen Sie sich bitte hier Ihren kostenlosen 20-minütigen Kennenlerntermin, an dem wir Ihre individuelle Herausforderung besprechen können.

Hier erhalten Sie weitere Informationen zur Organisationsberatung, die Sie auch für Ihre Recruiting Beratung nutzen können:
https://kanzleiprofiling.de/organisationsberatung/

Unternehmenskultur und Führung

Wenn Sie an Ihrer Unternehmenskultur und Führung arbeiten möchten, besprechen wir die Eckpunkte in einem kostenlosen Kennenlerngespräch, wozu Sie sich hier einen Termin buchen können. Anschließend erhalten Sie ein individuelles und faires Angebot von mir.

Hier erhalten Sie weitere Informationen zur Organisationsberatung, die Sie auch für Beratungen hinsichtlich Ihrer Unternehmenskultur nutzen können: https://kanzleiprofiling.de/organisationsberatung/

Für Coachings nutzen Sie bitte diesen Link: https://kanzleiprofiling.de/steuerkanzlei-coaching/

1:1 Beratung

Natürlich können Sie mit mir auch gleich an mehreren Themen und höchst individuell arbeiten. Dann wählen Sie am besten die 1:1 Beratung. Buchen Sie sich bitte hier Ihren kostenlosen 20-minütigen Kennenlerntermin, an dem wir Ihre individuelle Herausforderung besprechen können.

Weitere Informationen zu meinen Angeboten entnehmen Sie bitte meiner Website.

4 Kommentare

  • Ingrid Senbert

    Der Analyse ist voll zuzustimmen. Wer vergebens sucht, der sollte sich einmal die Frage stellen: Würde ich meiner Tochter/meine Sohn raten eine Ausbildung zum/zur Steuerfachangestellten zu machen und in meinem Büro zu arbeiten? Warum sollten es andere tun? Mit einer ehrlichen Antwort kommt man der Ziel deutlich näher.

  • Miss Best-Practice-Power

    Gute Stichpunkte!
    Allerdings vermisse ich einen wesentlichen Aspekt bezüglich der Steuerfachangestellten-Ebene:
    die traditionell zu niedrigen Gehälter, besonders in der Einstiegsphase!
    Vergleicht man diese z. B. mit den Verwaltungsfachangestellten, Industriehandels-, Bank-, Versicherungs – etc fachangestellten, und hält sich gleichzeitig das überdurchschnittlich hohe Anspruchsniveau der Ausbildungsinhalte für STFAs vor Augen neben den kontinuierlich notwendigem fachlichen und zunehmend digital-technischen Updates, ist mir ehrlich gesagt unverständlich, dass sich Kanzlei-Arbeitgeber/innen überhaupt wundern…
    Und in diesem Bereich der Nicht-Berufsträger/innen ist übrigens auch das Gegenteil von hoher Männerquote der Fall – was klassischerweise ebenfalls zu einer nicht angemessenen Durchschnittsgehaltshöhe führt.

    Im Zusammenspiel mit Ihren genannten Problemfeldern von „Unternehmenskultur“ ist das einfach zur jetzigen Zeit absurd. Und wenig verwunderlich, dass es gute Fachkräfte entweder zu besser bezahlten Stellen in andere Branchen zieht, oder die Toleranz gegenüber vor-gestrigen Kanzlei-„Praktiken“ rapide abgenommen hat.
    Entweder man schafft es als Kanzlei wirklich auf Augenhöhe mit seinem Team zu kommen, oder man wird langsam „ausgehöhlt“.

    • Marion Ketteler

      Vielen Dank für den Kommentar. Die Gehälter sind regional sehr unterschiedlich und ich kann nicht bestätigen, dass es „traditionell niedrige Gehälter“ gibt. Ich nehme deutliche Gehaltssprünge wahr. Auch und gerade in der Einstiegsphase von jungen Steuerfachangestellten.

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