Praxisleitfaden Unternehmenskultur Marion Ketteler Kanzleiprofiling

Praxisleitfaden Unternehmenskultur Steuerkanzlei- so kommen Sie Ihrer Unternehmenskultur auf die Spur

In diesem Artikel gebe ich Steuerkanzleien einen Praxisleitfaden zur Spurensuche nach Ihrer Unternehmenskultur an die Hand. Denn sie zu kennen ist kein Nice-to-have mehr, sondern ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, den Sie sich nicht entgehen lassen sollten.

Das nehmen Sie auf diesem Praxisleitfaden mit

Praxisleitfaden Unternehmenskultur Steuerkanzlei- so kommen Sie Ihrer gelebten Unternehmenskultur auf die Spur
Überblick

Woran erkennen Sie Unternehmenskultur?

Bei den Big Playern auf dem Markt hört man immer wieder, wie gut die Unternehmenskultur ist. Ganz vorne dabei ist zum Beispiel Google. Ist Unternehmenskultur also nur etwas für große Unternehmen oder Konzerne?

Nein, eine Unternehmenskultur hat zunächst einmal jedes Unternehmen. Ob One-Man-Show oder Mittelständler – ob 10 oder 10.000 Mitarbeiter. Ob eine gute oder schlechte sei dahin gestellt.

Über die Unternehmenskultur wird geredet. Mal im Verborgenen, mal in aller Öffentlichkeit. Mal mit vernichtenden Ergebnissen und mal folgen Auszeichnungen dem Gerede. Erinnern Sie sich noch an die Berichte über die Videoüberwachung der Kassen und Umkleiden im Lidl Konzern? Auch das war Ausdruck einer Unternehmenskultur – allerdings nicht gerade ein Lob und mit erheblichen Auswirkungen auf den Umsatz und die Reputation des Unternehmens.

Eine gute Unternehmenskultur zu haben oder sich überhaupt mit ihr zu beschäftigen, hat schon lange nichts mehr mit “Kuscheltagen” und “Wir-haben-uns-alle-lieb” Strategien zu tun.
Eine gute Unternehmenskultur ist der Schlüssel zum Erfolg und ein strategischer Vorteil!
Zur Mandantengewinnung aber auch, und da wird es jetzt richtig spannend: für die Gewinnung von guten bzw. hervoragenden Fachkräften.
Gerade bei der Bewerberansprache sollten Sie Ihre gute (!) Unternehmenskultur nach außen zeigen. Sie kann den entscheidenden Unterschied machen.
Sie können zu diesem Thema auch zusätzlich mit der Bewertung Ihrer Arbeitgeberattraktivität starten. Weil Sie auch erheblichen Einfluss auf Ihre Unternehmenskultur hat. In diesem Artikel finden Sie 10 Tipps zur Steigerung Ihrer Arbeitgeberattraktivität. Oder holen Sie sich doch gleich noch den Kompass Arbeitgeberattraktivität. Da können Sie selbst überprüfen, wie attraktiv Ihre Steuerkanzlei gerade wirklich ist.

Wozu ist eine gute Unternehmenskultur eigentlich gut?

Eine gute Unternehmenskultur sorgt u.a. dafür, dass die Mitarbeiter hinter ihrer Kanzlei stehen. Weil sie sich mit ihr identifizieren. Und welcher Kanzleiinhaber möchte das nicht?
Doch nicht nur Arbeitgeber profitieren von einer guten Unternehmenskultur -auch die Mitarbeiter haben echte Vorteile.
Sie sind nachweislich zufriedener, gesünder und produktiver.
Wenn das mal nicht genügend gute Gründe sind, sich näher mit ihr zu beschäftigen!
Aber das ist noch nicht alles:

Was kann eine gute Unternehmenskultur erreichen?

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Infografik

Erste Schritte hin zu Ihrer guten Kanzleikultur

Es gibt regalweise Fachliteratur zum Thema. Oder eine Menge Coaches und Berater auf dem Markt, die Ihnen gerne bei der Spurensuche nach Ihrer Unternehmenskultur zur Seite stehen. Ich bin ja selbst eine von ihnen 😄.
Ich möchte Ihnen heute aber einen Weg zeigen, den Sie alleine gehen können.
Um sich zunächst selbst einmal dem Thema zu nähern. Weil ich überzeugt bin, dass das der richtige Weg ist. Mit der eigenen inneren Bereitschaft zu beginnen und selbst ins Tun zu kommen. Sich Zeit zu nehmen und in Kauf zu nehmen, unter Umständen etwas verändern zu müssen. Auch vielleicht sich selbst und sein Verhalten. Denn das kann passieren.
Was auch immer den Anstoß gibt: es ist eine wirklich gute Entscheidung, sich mit der eigenen Kultur zu beschäftigen.

1. Schritt: Bereitschaft, genau hinzusehen und zu erkennen, was tatsächlich ist

Was sich so banal liest, ist es nicht. Sich wirklich mit dem Status Quo zu beschäftigen, macht vielleicht dann Spaß, wenn alle jubeln und sich freuen können. Was aber ist, wenn man feststellt, dass so einiges im Argen liegt und dringend eine Verbesserung her müsste. Ups. Das tut weh.

Es geht um eine ehrliche Bestandsaufnahme. Ungeschönt und ungeschminkt. Sonst nützt sie Ihnen nichts.
Starten Sie bei sich selbst. Seien Sie ehrlich und beantworten Sie vier ganz einfache Fragen:

  • Was läuft gut bei uns?
  • Was läuft nicht gut bei uns?
  • Was sind no-gos und Tabus?
  • Was kann heute mein allererster Schritt sein, um zu einer besseren Unternehmenskultur zu kommen?

Machen Sie anschließend eine kleine und übersichtliche anonymen Befragung für alle Kanzleimitglieder.
Sie können Ihre 4 Fragen stellen.
Ich empfehle Ihnen, ein paar mehr zu stellen. Wenn schon, denn schon. 10 Fragen mit Freitext Antworten und mit Multiple Choice Antworten bekommt jeder/r auch mit vollem Schreibtisch hin. Tools, die die Anonymisierung wahren, finden Sie ganz leicht im Internet. Hier mal ein paar Fragen zur Inspiration:

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Fragen zur Mitarbeiterbefragung

2. Schritt: Veröffentlichung und Diskurs

Wenn es Ihnen ernst mit Ihrer Unternehmenskultur ist, dann veröffentlichen Sie alle Ergebnisse und verschweigen auch nicht Ihre eigenen. Nur mit Transparenz und Offenheit kann es gelingen, Ihre Kultur zu ändern. Gerade und vor allem, wenn sie nicht so rosig ausfällt.
Laden Sie alle KollegInnen zur Veröffentlichung ein und präsentieren Sie Ihre Ergebnisse.
Diskutieren Sie sie und halten Sie sich bitte nicht mit Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen auf. Darum geht es nämlich gar nicht. Wie Sie Gespräche richtig gut führen, können Sie in diesem Artikel nachlesen: 4 Methoden für gute Gesprächsführung.
Und wenn Sie es in Ihrer Belegschaft eher mit Problembewunderern statt mit lösungsorientierten Menschen zu tun haben, wird Ihnen der Artikel Vom Problembewunderer zum Problemlöser sicherlich helfen.

Definieren Sie die Bereiche, die Sie (zuerst) anpacken wollen und bilden Sie ein Culture Team, dass sich um die weitere Bearbeitung kümmern möchte.

3. Schritt: Ressourcen bereit stellen

Wenn alle wissen, woran gearbeitet werden soll, muss es auch Möglichkeiten dafür geben. Zeitlich, räumlich, finanziell und personell. Die Änderung der Unternehmenskultur ist keine Chefsache, sondern ein Strategieprojekt für die ganze Kanzlei – unter Mitwirkung möglichst viele Kanzleimitarbeiter.

Klar, einer muss den Hut aufhaben und das Projekt koordinieren, den Überblick behalten und für eine gute Qualität sorgen. Ob Sie das als Kanzleiinhaber sein müssen, entscheiden Sie bitte selbst. Wenn Sie das Projekt leiten, hat es sicherlich eine gewisse Verbindlichkeit – wenn Sie es denn schaffen, es auch zeitnah umzusetzen und dran zu bleiben.

Wird ein anderer Projektleiter, benötigt er Akzeptanz im Team und vor allen Dingen Kompetenzen. Inthronisieren Sie einen Projektleiter und nehmen Sie hin, dass dieser andere Entscheidungen als Sie treffen wird. Das verschafft Ihnen Raum für andere Tätigkeiten. So ganz ohnen Ihr Zutun wird es natürlich nicht gehen – schließlich gehören Sie ja auch zum Team 😄.

4. Schritt: Ziele definieren

Wenn klar ist, wo Sie gerade stehen, geht es darum, wohin Sie wollen. Also nicht Sie persönlich, sondern die Kanzlei: Machen Sie sich die heutigen und zukünftigen Herausforderungen bewusst und fragen Sie sich, was Sie tun können, müssen oder sollten, um vorbereitet zu sein?

Welche Werte und Verhaltensweisen benötigen Sie, um in Zukunft am Markt bestehen zu können? Wie können Mitarbeiter diesen Weg mitgehen? Was muss sich in Ihrer Zusammenarbeit wie ändern, um mithalten zu können? Das sind ein paar Fragen, die Sie sich stellen sollten.
Hier sind nicht Unternehmensziele wie Gewinnmaximierung gemeint, sondern solche, die eine Entwicklung ermöglichen.

Ein Beispiel:

Sie möchten Beratungen in den Fokus Ihrer Kanzlei stellen und gleichzeitig die Mandantenbindung stärken. Weg vom “abarbeiten” der Aufträge und hin zur qualifizierten und vorausschauenden Beratung mit guter Kundenbindung.
Dazu könnten folgende Fragen hilfreich sein:

  • Was verstehen wir in unserer Steuerkanzlei eigentlich genau unter Beratung?
  • In welchen Bereichen wollen wir unsere Mandanten wie beraten?
  • Wer in der Kanzlei kann eine solche Beratung übernehmen? Denken Sie hier nicht nur an steuerliche Beratungsthemen. Auch eine IT-Beratung ist eine Beratung und muss nicht zwingend von einem Steuerberater durchgeführt werden.
  • Welche fachlichen, persönlichen und methodischen Kompetenzen sind für eine gute Beratung nötig?
    Vielleicht müssen Fortbildungen besucht oder kommunikative Eigenschaften verbessert werden.
  • Welche Ressourcen müssen von der Kanzlei, welche von den zukünfigen “Beratern” zur Verfügung gestellt werden?
  • Wie stellen wir uns eine gute Kundenbindung vor? Wie können wir sie überprüfen?

In dem Artikel Mit dieser 6-Schritte Strategie machen Sie Ihre Mitarbeiter zu Ihren besten Beratern habe ich noch mehr Infos, die Ihnen weiterhelfen werden.

Wenn Sie sich jetzt vielleicht fragen, was dieses Ziel mit Ihrer Unternehmenskultur zu tun hat: ganz viel! Wenn Mitarbeiter erleben, dass sie sich einbringen können und dürfen, wenn sie neue Inhalte lernen dürfen und an der Gestaltung der Kanzleiziele beteiligt sind, stärkt das Ihre Unternehmenskultur. Weil es Identifikation schafft. Und den Teamgeist stärkt, wenn man zusammen an einem Thema arbeitet. Die Mitarbeiter erleben sich als selbstwirksam und das stärkt wiederum das Selbstbewusstsein. Alles richtig gute Einflussfaktoren für eine gute Unternehmenskultur.

Es dürfen natürlich auch Themen wie Konfliktmanagement sein, die dafür sorgen, dass alle Mitarbeiter besser miteinander umgehen lernen. Oder Sie überprüfen mal Ihre Kommunikationswege und Kommunikationsformen. Auch immer wieder ein spannendes Feld, was erheblichen Einfluss auf Ihre Kultur haben kann.

Denken Sie bei der Zieldefinition auf jeden Fall daran, dass es sich um messbare Ziele handelt, deren Erreichung man leicht überprüfen kann. So wissen Sie, dass Sie noch auf dem richtigen Kurs sind.
Ein guter Weg ist, aus dem großen Ziel viele kleine Teilziele zu definieren und sich einzelne Schritte zu überlegen. So schaffen Sie Struktur und bleiben am Ball.

5. Schritt: Gemeinsame Werte festlegen

Vergessen Sie nicht, sich über Ihre Werte bewusst zu werden. Dieser Punkt ist auch für die Bewerberansprache von enormer Bedeutung. Sich fachlich zu verändern oder neues Wissen zu erwerben, ist leicht. Sich neue Werte zuzulegen und die eigenen abzuschaffen, fast unmöglich. Je besser Sie Ihre Werte kennen, desto besser können Sie diese kommunizieren und die Bewerber ansprechen, die genau zu Ihnen passen.

Hilfreiche Fragen hierzu können sein:

  • Was macht uns als Steuerkanzlei einzigartig? Welche Werte und Ideale vertreten wir?
  • Wie muss ein Mensch sein, damit er richtig gut zu uns passt?
  • Welche Werte brauchen wir in der Zukunft?

Es geht bei der zweiten Frage nicht darum, nur noch Menschen mit den gleichen Charaktereigenschaften oder Gemütszuständen anzuwerben. Je diverser ein Team ist, desto besser sind die Ergebnisse. Sich aber Gedanken zu machen, welche Werte die meisten sofort unterschreiben würden, hilft Ihnen, nicht Mitarbeiter mit ganz anderen Grundüberzeugungen einzustellen.

Was zählt, ist die gelebte Unternehmenskultur

Es nützt Ihnen nichts, wenn Sie tolle Werte definieren, sich aber niemand nach ihnen verhält. Gehen Sie als gutes Beispiel voran und machen Sie die (neuen) Werte erfahrbar. Wenn Sie sich auf mehr Hilfsbereitschaft als Wert commitet haben, gehen Sie aktiv auf Ihre Mitarbeitenden zu und bieten Sie Ihre Hilfe an. So implementiert man neue Werte.
Machen Sie in regelmäßigen Abständen eine erneute Bestandsaufnahme und überprüfen Sie, ob Sie noch auf dem richtigen Kurs sind.

Wenn das Betriebsklima steigt, wenn Mandanten anfangen, etwas Positives zu bemerken, sind Sie auf dem richtigen Weg!
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Spurensuche nach Ihrer Unternehmenskultur und hoffe, dass Ihnen dieser Praxisleitfaden dabei hilft.

Eine Bemerkung zum Schluss

Wenn Sie sehr skeptische Mitarbeiter beschäftigen, die gerne das Haar in der Suppe suchen statt sich über den Geschmack zu freuen, kann ein Alleingang schwierig sein. Dann empfehle ich Ihnen aus tiefster Überzeugung den Einsatz eines externen Begleiters. Er oder sie ist nicht Teil Ihres Systems und erfährt deswegen eine bessere Akzeptanz als Sie als Chef/In.

Und wenn die anonyme Umfrage ein schlechtes Betriebsklima attestiert hat, suchen Sie sich bitte auch Hilfe und Unterstützung. Denn die Wahrheit ist: ein schlechtes Betriebsklima fängt bei den Chefs/Chefinnen an. Also bei Ihrem Verhalten. Um das zu ändern, benötigen Sie einen externen Blick und einen Gesprächspartner auf Augenhöhe.

Außerdem hilft externe Unterstützung dabei, das Ziel besser zu erreichen. Weil der Berater dran bleibt und den Prozess steuert.



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